Interview mit Keiji Suesama, Solo-Oboist im Philharmonischen Orchester Bremerhaven
Wo ist dein Lieblingsplatz in Bremerhaven – und warum?
Früher bin ich sehr oft im Speckenbütteler Park spazieren gegangen. Zur Zeit gehe ich öfter am Langer Berg spazieren. Dort ist nur Acker zwischen Bremerhaven, Langen und Debstedt. Oder Piepenberg, nördlich von Langen. Piepenberg ist Wald und Moorgebiet. An beiden Plätzen kann ich große Ruhe genießen, das ist gut für meine Gesundheit. Ich gehe auch sehr gerne in Restaurants, als Japaner esse ich gerne Fisch. Neben dem berühmten Natusch oder Fiedler gehe ich zur Zeit sehr oft ins Pier 6. Dort gibt es nicht nur gutes Essen, sondern auch eine gute Aussicht auf die Schleuse, den Leuchturm und die Sportboote. Man kann da schöne Urlaubsstimmung bekommen.
Vervollständige den Satz: «Wenn ich kein Musiker wäre, dann...»
Das kann ich leider nicht so einfach beantworten; wie viele Musiker habe ich meine Jugendzeit nur der Musik geopfert. Ich habe nie daran gedacht, dass ich kein Musiker werden könnte.
Was würdest du gerne können?
Wenn ich die Zeit zurück drehen könnte, könnte ich einige Spielfehler korrigieren und somit noch mehr Zuhörer zufriedenstellen.
Erzähle uns dein schlimmstes, lustigstes oder schönstes Bühnenerlebnis!
Als Musiker darf ich beim Musizieren nur schönste Momente, von Sekunde zu Sekunde, wie CT (Computertomografie), erleben. Besonders beim Sinfoniekonzert sitze ich im Zentrum vom ganzen Orchester. So etwas kann man nicht als Zuschauer oder vor der Stereoanlage erleben. Als besonders gutes Konzert erinnere ich mich z.B. an Don Quichotte von Richard Strauss mit dem Dirigent Peter Schneider sowie Brahms' Klavierkonzert mit dem Solisten Gerhard Opitz, Haydn-Sinfonien mit Linzer Intendant Roman Zeilinger und so weiter ...
Die schlimmsten Erfahrungen soll Man lieber schnell vergessen! Wer sehr lange mit so vielen Noten gekämpft hat, hat natürlich auch mehrere Pannen erlebt: Direkt vor einem Sinfoniekonzert habe ich Spaghetti Bolognese gegessen. Ein kleiner Bruchteil vom Hackfleisch war im Mund oder zwischen den Zähnen hängen geblieben. Dieses Hackfleisch ist während des Spielens zwischen der Rohrblätterspitze stecken geblieben. (Bei der Oboe wird der Ton durch zwei aufeinander liegende Rohrblätter erzeugt, dazwischen ist weniger als ein Millimeter Platz.) Dadurch konnte ich keinen Ton mehr herausbekommen. Gott sei Dank konnte ich das Hackfleisch schnell entfernen und weiterspielen, als wäre nichts geschehen. Seit diesem Unfall esse ich nie mehr vor dem Konzert Spaghetti Bolognese. Bei meiner Probezeit, also in meinem ersten Jahr in Bremerhaven, gab es Johann Strauß' Fledermaus. Bei vielen Operetten ist es üblich, nach Belieben die Reihenfolge der Stücke zu tauschen. Bei dieser Inszenierung war es auch so. Es gab zwei Nummern, die mit einem Oboen-Solo beginnen. Ich war natürlich in höchster Konzentration, mein Solo so gut wie möglich zu liefern. Am Dirigenten-Pult war der damalige GMD Herr Leo Plettner. Bei der Premiere nahm er seinen Taktstock und hob ihn hoch. Da der Applaus aber noch anhielt, musste er einen Moment warten. In diesem Moment flüsterte mir mein Solo-Klarinetten-Kollege Mikael Börresen zu, dass ich die falsche Nummer aufgeschlagen hatte. Und er sagte mir leise: «Nummer Sieben, Nummer Sieben!» Wenn Herr Plettner ganz normal angefangen hätte, das Publikum keinen großen Applaus spendiert hätte oder wenn mein Kollege meine falschen Noten nicht gesehen hätte, weiß ich nicht, wie es ausgegangen wäre.
Lustige Geschichte? In meinem Urlaub in der Schweiz habe ich drei kleine Kuhglocken gekauft, um einen Streich vorzubereiten. Ich habe diese Kuhglocken unter dem Notenpult aufgehängt und gleichzeitig mit einer Schnur an meinen Fuß verbunden. Die Hauptprobe begann auf der Bühne. Unser Stück war die Alpensinfonie von Richard Strauss. Die Zeit war gekommen. Es gibt eine Szene auf dem Felde, wo die Oboe eine Ziege imitiert, während der Schlagzeuger dazu die Kuhglocken spielt. Die Länge der Kuhglocken war natürlich genau notiert. Ich spielte also Oboe und gleichzeitig zog ich mit meinem rechten Fuß an der Kuhglocke und zwar viel länger als unser Schlagzeugkollege. Der GMD Leo Plettner kritisierte ihn, er solle noch kürzer spielen. «Noch einmal!» Schon wieder zu lang! Der Schlagzeug-Kollege war verzweifelt (Tut mir leid!). Meine Kollegen um mich herum wussten natürlich, wer der Täter war, haben aber dicht gehalten. «Nochmal!» Wieder dasselbe! Der Schlagzeiger sagte: «Ich war's nicht. Es klingt irgendwo da unten.» «Noch einmal!» Ich weiß nicht mehr, wie viele Male wir es wiederholt haben. Vielleicht fünfmal oder mehr? Danach habe ich selbst den Streich aufgelöst. Ende! Wir hätten «Verstehen Sie Spaß?» daraus machen können. Ich habe mich selbstverständlich anschließend bei Herrn Plettner und dem Schlagzeug-Kollegen entschuldigt!
Welches Ritual ist für dich vor einem Auftritt wichtig?
Es ist wieder mal typisch Oboe. Was jeder Bläser-Kollege fürchtet, ist Wasser an einer Klappe. Wenn Wasser in eine Oktav-Klappe kommt, klingt der Ton mit Geräusch oder immer eine Oktave tiefer. Und die Katastrophe kann man nicht so schnell beheben. Das Loch einer Oktav-Klappe ist kleiner als ein Millimeter, wenn also Wasser dort reinkommt, ist es sehr schwer wegzukriegen. Deshalb baue ich vor jedem Sinfoniekonzert und jeder Vorstellung die Klappe auseinander und mache mit Druckluftspray sauber. In der Pause wiederhole ich das meistens noch einmal.
Wer oder was hat dich auf deinem Berufsweg am meisten inspiriert?
Zwei Konzerte haben mich sehr beeindruckt und inspiriert. Das erste Konzert mit den Wiener Sängerknaben hat mich sehr gefesselt. Die Knaben (im gleichen Alter wie ich damals, etwa acht oder neun Jahre alt) haben so fantastisch gesungen. In der Orchesterliteratur habe ich die 5. Sinfonie von Beethoven mit dem Philadelphia Symphony Orchestra unter Eugen Ormandy gehört. Damals war ich 13 Jahre alt. Die Musik wurde mir wie auf einem silbernen Tablett serviert.
Womit kann man dir immer ein Lächeln aufs Gesicht zaubern?
Mit süßem Riesling-Weißwein von der Mosel!
Und zum Schluss noch die Frage: Worauf freust du dich in deiner Pensionszeit am meisten?
Ich kann nun ungehindert in den Skiurlaub fahren und muss meine Kollegen nicht mehr um freie Zeit bitten. Und in meine Heimat muss ich nicht mehr zur heißesten und teuersten Zeit im Sommer fliegen. Ich freue mich, dass ich endlich Platz für den Nachwuchs machen kann und für das Philharmonische Orchester Bremerhaven eine junge Solo-Oboistin oder ein junger Solo-Oboist kommt. Ich denke, dass die jüngere Generation allgemein über viel höhere Spielfähigkeit verfügt.
Ich wünsche dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven alles Gute für die Zukunft!