Ton ab! Interview mit Tonmeister Martin Rust
Lieber Martin, wir haben nun inzwischen schon 3 CDs zu diesem Zyklus mit dir aufgenommen; im nächsten Sinfoniekonzert am 8., 9. und 10. Oktober diesen Jahres bist Du wieder bei uns zu Gast und nimmst Beethovens 2. Sinfonie mit uns auf; wie viele Aufnahmen bzw. CDs sind bislang noch mit dem Philharmonischen Orchester geplant?
Mit Beethovens zweiter Symphonie schließen wir zunächst mal die vierte CD des Beethoven-Zyklus ab und haben damit alle traditionellen Beethoven-Symphonien tatsächlich im Kasten. Als letzte Symphonie steht dann noch die 9. Symphonie aus, die aber natürlich aufgrund Ihrer Ausmaße in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung darstellt. Hieran arbeitet GMD Marc Niemann mit Hochdruck und ich hoffe doch sehr, dass wir damit den Zyklus wirklich noch vollenden können. Dies steht aber noch nicht ganz fest und die Besucher der Konzerte können bestimmt durch den Kauf der bisherigen CD-Produktionen dazu beitragen, dass auch dies finanziell geschafft werden kann.
Wie bist du zu deinem Beruf gekommen? Was hat dich dazu bewegt oder inspiriert, Tonmeister zu werden?
Seit meinem fünften Lebensjahr spiele ich Klavier und von daher war immer mein Ziel, das Hobby irgendwann zum Beruf zu machen. Mit der Zeit habe ich das Klavierspiel intensiviert. Dennoch merkte ich, dass ich nicht wirklich den Weg zum Konzertpianisten gehen möchte. Ebenso merkte ich, dass ich nicht der Typ für eine musikpädagogische Laufbahn bin. Durch Zufall erfuhr ich dann von dem Studium zum Dipl. Tonmeister und war total begeistert, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Berührungspunkte mit Aufnahmetechnik hatte. Die Kombination aus technischer und musikalischer Arbeit auf hohem Niveau hat mich von Beginn an fasziniert.
Viele Konzertbesucher fragen sich bestimmt auch, wie der Ausbildungsweg bis zum Tonmeister verläuft?
In Deutschland gibt es nur zwei Musikhochschulen, an denen man das Studium zum Dipl. Tonmeister absolvieren kann. Neben Berlin liegt die andere Musikhochschule in Detmold. Hier hatte ich das Privileg, am renommierten Erich-Thienhaus-Institut mein Studium zum Diplom Tonmeister abschließen zu dürfen. Das Studium ist im Grunde ein Musikstudium, welches in vielen Punkten dem eines Dirigenten ähnelt. Wir haben ein instrumentales Haupt- und Nebenfach, Partiturspiel, Partiturkunde, Musiktheorie, Musikgeschichte und vor allem sehr viel Gehörbildung. Neben weiteren musikalischen Fächern kommen im Grundstudium die technischen Fächer hinzu: Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Theorie der Musikübertragung, Schallplattenkritik... Als dritter Punkt dann die Fächer, die sich rund um den Themenschwerpunkt künstlerische Aufnahmeleitung bewegen. Also ein unfassbar vielfältiges Studium, welches ich wirklich von vorne bis hinten genossen habe.
Was ist der Unterschied oder die Herausforderung einer Live-Aufnahme in einem Konzertsaal versus einer Produktion beispielsweise im Tonstudio?
Technisch betrachtet liegt kein großer Unterschied zwischen den beiden Produktionsformen vor. Der größte Unterschied ist der Faktor Zeit. Bei einer Studio-Produktion arbeitet man in der Regel ja doch drei bis vier Tage an einer CD und hat somit Zeit, schwierige Stellen mehrfach aufzunehmen und auch im Detail daran zu arbeiten. Bei einer Live-Produktion bauen wir vor allem auf die Mitschnitte der Konzerte und versuchen dann daraus das bestmögliche Ergebnis herauszuholen. Zusätzlich bin ich hier in Bremerhaven bereits bei der Generalprobe dabei, in der wir zumindest ein wenig an schwierigen Stellen arbeiten können. Jede Produktionsform hat so ihre ganz eigenen Reize. Während man bei einer Studio-Produktionen so manche musikalische Feinheit noch herauskitzeln kann, hat man bei Live-Mitschnitten die besondere Konzertstimmung, in der immer wieder magische musikalische Momente aus der Situation entstehen.
Wie bereitest Du Dich auf eine Aufnahme wie der 2. Sinfonie von Beethoven mit dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven vor? Vor allem interessiert mich dabei, wie lange die Vor- und Nachbearbeitungszeit in Anspruch nimmt.
Grundlage für die Vorbereitung bildet immer der Blick in die Partitur. Ich versuche mich recht intensiv im Vorfeld mit dem Werk zu beschäftigen, damit ich auch eine eigene musikalische Vorstellung von dem Werk habe und natürlich auch ein klangästethisches Konzept entwickeln kann. Darüber hinaus bereite ich die Partitur für meine Bedürfnisse mit entsprechenden Markierungen vor, da der Tonmeister während der Produktion blitzschnell Entscheidungen treffen muss. Zeitlich betrachtet ist dies natürlich sehr werkabhängig. Die technische Vorbereitung ist hingegen oft ähnlich. Hierfür ist der Tag vor der Produktion reserviert, an dem ich natürlich zunächst mein Equipment planen und zum Aufnahmeort bringen muss. Vor Ort bin ich dann bestimmt vier Stunden mit dem technischen Aufbau beschäftigt. 24-40 Mikrofone müssen aufgebaut, verkabelt und ausgerichtet werden. Zusätzlich haben wir in einer der Künstlergarderoben eine mobile Tonregie eingerichtet. Nach dem letzten Konzert steht natürlich der Abbau an, der ca. 2 ½ Stunden dauert und dann beginnt im Studio der gesamte Prozess der Postproduktion. Bis die fertige CD vorliegt, vergehen im Anschluss gerne mal 40 Arbeitsstunden.
Gibt es ein Projekt mit einem besonderen Künstler/Ensemble, mit dem Werk eines bestimmten Komponisten oder in einen bestimmten Konzertraum, das Du immer schon mal machen möchtest?
Da gibt es natürlich viel. Tatsächlich, muss ich sagen, dass ich ein Fan großer symphonischer Zyklen bin und somit die Produktion aller Beethoven-Symphonien schon etwas Besonderes ist. Darüber hinaus wäre es definitiv ein Traum, mal alle Symphonien von Dimitri Schostakowitsch produzieren zu dürfen. Dennoch, muss ich sagen, ist eigentlich jede Produktion - egal, ob kammermusikalisch oder symphonisch besetzt - für mich etwas ganz Besonderes und ich empfinde es immer als ein Privileg, mit so vielen beeindruckenden Musikerpersönlichkeiten zusammenarbeiten zu dürfen.
Und zu guter Letzt: verrate uns etwas aus der Kategorie Pleiten, Pech & Pannen: Was ist schon mal Lustiges, Dramatisches oder Absurdes während einer Produktion passiert?
Bei einer großen Studio-Produktion mit einer Bigband und einem Symphonieorchester ging plötzlich der Bildschirm des Computers kaputt und wir hatten keinen direkten Zugriff auf den Rechner, da dieser eine Etage über der Regie im sogenannten Maschinenraum stand. Ein einfacher Bildschirm-Austausch war aus diversen Gründen nicht möglich und so war die einzige Möglichkeit, dass ein Kollege von mir sich vor den Maschinenraum in der ersten Etage gesetzt hat. Hier war ein Kontrollmonitor angeschlossen und so habe ich dem Kollegen durchs Treppenhaus zugeschrien, wann er die Aufnahme starten und stoppen soll, da nur er von dort auf den Rechner zugreifen konnte. Mobiltelefone konnten aus technischen Gründen ja nicht verwendet werden. Es musste alles absurd schnell gehen, da die Musiker in dieser Zeit warten mussten, aber nach zehn Minuten konnte die Produktion weitergehen. In dem Moment vor Ort war es Stress pur, im Nachhinein kann man drüber lachen.
Lieber Martin, vielen herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke, wir freuen uns sehr auf unsere nächste gemeinsame Produktion im nächsten Sinfoniekonzert am 8., 9. und 10. Oktober und wünschen Dir bis dahin allzeit "Ton ab"!